Kapitel 1
Grunzend rollte sich mein Mann von mir weg. Krampfhaft
schluckte ich die bittere Galle in meinem Hals mehrmals herunter und atmete
langsam und bewusst durch die Nase um die Tränen am überlaufen zu hindern. Ich
hatte solche Schmerzen. Aber Allah würde
mich für all das hier belohnen, wenn die Zeit käme.
Der Gedanke hielt meinen Verstand zusammen. Nacht für Nacht. Tag für Tag.
Ich lag in der schützenden Dunkelheit auf der Matratze im oberen
Stockwerk und der warme Wind, der durch das geöffnete Fenster kam, strich sanft
über meine beanspruchten Gliedmaßen. Die Grillen zirpten laut, die Kuh unten im
Stall scharrte mit ihren Hufen über den Boden. Langsam drehte ich meinen Kopf
und sah hinaus in die schwarze Nacht. Sie war so ruhig. Zu ruhig. Nach all den
Jahren des Krieges war ich nicht daran gewöhnt, dass es so ruhig war. Genauso wie die lockeren
Gesetze, die seit dem Sturz der Taliban galten, verunsicherte mich diese Ruhe,
denn sie gaben sich noch nicht geschlagen. Der Krieg hatte nie aufgehört… er konnte schon
morgen direkt vor meiner Haustür toben. Ich hatte aufgehört zu zählen wie viele
meiner Verwandten und Bekannte ich schon durch diesen Krieg verloren hatte.
Mein Herz weinte rund um die Uhr, weil
es nicht verstehen wollte, dass meine Liebsten, da wo sie jetzt waren, ein besseres
Leben führten, als sie es hier jemals konnten.
Als die Gestalt neben mir, die einerseits mein schlimmster Albtraum,
aber auch mein wichtigster Beschützer war, tief und fest schlief wickelte ich
mich in meinen Hijab. Ich schlich an meiner schlafenden Schwester die, weil sie
zu klein war um verheiratet zu werden und niemanden außer mir hatte, bei uns
lebte vorbei. Lautlos ging ich über die Teppiche in unserem Wohnraum, zur aus
einfachen Brettern gezimmerten Holztür, die ich leise öffnete, hinaus in die
klare reine Nacht.
Der Mond stand hell und rund am Himmel, er wirkte riesig. Vor
mir lag nichts als weites Land, rechts ein Schlafmohnfeld, links ragten
staubige Berge empor und vereinzelt waren Palmen über die wuchernde Landschaft
verteilt. Ich hatte Angst, dass von niedrigen Mauern umgebene Gehöft zu
verlassen, doch innerhalb jener bewegte ich mich selbstsicher und gelassen.
In der Nacht, wenn
alle schliefen, war ich frei. Ich trug keinen Schleier, damit ich das Gefühl
des Windes in meinen Haaren, jede Sekunde genießen konnte.
Ich ging in den Stall zu unserer Kuh und streichelte ihre Flanke.
Ihr Fell war warm und weich. Es fühlte sich gut an unter meiner Wange. Sie
schnaubte und drehte ihren Kopf, in der Hoffnung, dass ich eine Leckerei dabei
hätte, zu mir um. Schmunzelnd zeigte ich ihr meine Hände, kraulte sie und wich
kichernd ihrer langen, wendigen Zunge aus.
Ein Blick nach oben, zu dem Fenster unseres Hauses und ich
war mir sicher, dass mein Mann noch tief und fest schlief. Also schlich ich in
unsere Vorratskammer, und holte etwas getrocknetes Fleisch.
Als ich mich um das Haupthaus herumbewegt hatte und sicher vor Blicken war, pfiff ich
drei Mal kurz zwischen den Zähnen und lies das Gebäude dabei nicht aus den
Augen. Mit schlagendem Herzen wartete ich auf einen Fluch oder ähnliches, aber
mein Mann schlief so fest, wie in jeder anderen Nacht.
Er kam sofort. Ich hörte ihn durch die hohen Farne huschen
und dann sprang er auch schon über die Mauer, sein rötlich-schwarzes Fell
glänzte im blassen Mondlicht. Wir waren ein eingespieltes Team.
„Hallo mein einsamer Freund.“, begrüßte ich den Schakal, der
wachsam ein paar Schritte vor mir stehen blieb und auf seine Belohnung fürs Kommen
wartete. Ich schmiss ihm das Fleisch hin, ging in die Hocke und lehnte mich mit
dem Rücken an die hintere Wand des Hauses. Sein zufriedenes Schmatzen hatte
etwas Beruhigendes an sich. Lächelnd beobachtete ich ihn dabei, wie er das
Fleisch schnell in sich hineinschlang, dabei immer wieder nach rechts und links
spähte und stets sprungbereit war. Er erinnerte mich an mich selbst. Immer in
Angst lebend. Wissend das ein einziger Fehltritt fatale Folgen haben konnte.
Sich niemals frei entfaltend. Nicht einmal wissend wer und was man ist… Na gut,
ganz so weit dachte das Tier sicherlich nicht, aber so ähnlich.
Ich malte kleine und große Kreise in den Sand und lehnte
meinen Kopf an die raue Mauer hinter mir.
Die Gedanken, die ständig in meinem Kopf kreisten,
beruhigten sich langsam schlingernd und zurück blieb etwas was ich nie vergessen
würde: Meine Mama. Ich schloss die Augen um Tränen zu verdrängen, die sich
selbst nach Jahren noch sofort anbahnten, wenn ich an ihren Verlust dachte. Ich
hatte sie nicht mehr klar vor Augen, dafür war ich damals noch zu klein gewesen
als ich sie verlor, aber gewisse Berührungen, Gefühle und Ereignisse hatten
sich in mein Gedächtnis gebrannt.
Ihre sanften Hände die mir immer Schutz und Trost spendeten,
das leise Flüstern ihrer Worte, das mir versicherte, das ich ihr ein und alles
war. Ihr stolzer, wachsamer Blick, der mir auf Schritt und Tritt folgte, um mit
geschultem Auge Übel vorauszuahnen und es von mir abzuwenden. Ob mein Leben
wohl anders verlaufen wäre, wenn meine Mama noch leben würde? Ob sie es
vielleicht nicht zugelassen hätte, dass ich so einen grausamen ersten Ehemann
bekam, der schon nach zwei Jahren meiner überdrüssig geworden war, weil ich
keine Kinder bekommen hatte und der mich eiskalt verstoßen hatte? Ob sie
zugelassen hätte, dass mein altersschwacher Vater mich gleich mit dem
nächstbesten verheiraten würde, einem Mann, der ungefähr in seinem Alter war,
der nach Knoblauch stank und dessen Bauch immer aus seinem schmutzigen Hemd
herausstand? Ob sie es zugelassen hätte, dass meine Brüder sich den Taliban
anschlossen? Den Männern, die sie getötet hatten?
Ich hielt mich an die Regeln, die mir mit schlagender Hand
von meinem Vater und meinen Brüdern eingebläut wurden. Ich war die vorbildliche
Ehefrau, die ich sein sollte und hielt meinen Kopf gesenkt wenn mein Mann
sprach. An ein Wort gegen ihn war nicht zu denken, egal was er sagte oder was
er tat. Jegliche Art von Rebellion würde zu schlimmen Strafen führen, dass
hatte ich schmerzlich am eigenen Leib erfahren müssen. Unzählige Narben zierten
meinen Körper. Konnte das gerecht sein? War dies Allahs Wille? Nein war es
nicht! Das wusste ich zu gut. Die Stellung der Frau war im Koran eindeutig
geregelt. Es war nicht der Glaube daran schuld wie es uns Frauen ging, sondern
die Menschen die ihn falsch auslegten. Die spätere Entwicklung im
islamistischen Recht und vor allem die speziellen Sitten und Gebräuche in
manchen Teilen des Landes hatten zu unserer Verdrängungen aus der
Öffentlichkeit und der Verschlechterung der Lebensumstände geführt. So erzählte
es mir meine Freundin öfter, die zwischen Europa und Afghanistan hin und her
reiste, weil ihr Ehemann eine Fabrik hatte und reich war. In den Dörfern sollte
es viel schlimmer sein als in den Städten, ich konnte das aber nicht
beurteilen, weil ich noch zu klein gewesen war, als ich in der Stadt wohnte.
Zum Glück gab es aber noch etwas, was mir ganz allein
gehörte und das ich selber steuern konnte. Meine Gedanken. Keiner konnte sie
mir nehmen oder sie beherrschen. Meine
Freundinnen schimpften mich oft, wenn ich so etwas Hämisches zu ihnen sagte.
Sie meinten Allah würde mich am Ende meiner Reise verstoßen und in die Hölle
schicken, doch daraufhin fragte ich, ob die Hölle noch viel schlimmer werden
konnte, als das was ich schon erlebt hatte und was ich Tag für Tag wortlos
mitansehen und erdulden musste.
Dem Mädchen vom Nachbarhof, sie hieß Alaya, hatte ihr Mann
vor vier Monaten die Nase abgeschnitten. Es gab Gerüchte, sie würde Ehebruch
begehen. Die Gerüchte allein reichten oft aus. Im nächsten Dorf hatte ein Mann
seiner Frau auf offener Straße mit einer Schrotflinte in die Beine geschossen,
weil sie vor seiner Brutalität weglaufen wollte. Alle sahen dabei zu, keiner
würde jemals auf die Idee kommen einzugreifen, denn dies war das Recht des
Mannes. Die meisten Frauen in diesen abgelegenen Dörfern Südafghanistans konnten
froh sein, dass sie überhaupt noch am Leben waren. Denn fast alles konnte uns
als Vergehen ausgelegt werden, wenn der Mann es so wollte und es gab niemanden
der uns helfen würde. Wir waren ihnen hilflos ausgeliefert.
Die Schicksale der anderen Frauen, wollte ich nicht teilen,
also beugte ich meinen Kopf in Demut, auch wenn mir zum Schreien und um mich
schlagen zumute war. Ich wusste, dass ich nicht normal war, mit mir stimmte
etwas nicht. Ich sollte diese gottlosen Gedanken der Auflehnung nicht in meinem
Kopf und in meinem Herzen haben, aber sie waren da und egal was ich tat, ich
konnte nicht gegen das ankämpfen was ich dachte, denn das war es was ich
wirklich tief in mir drin war. Eine eingesperrte Rebellin.
Der Schakal war fertig mit seinem Fressen. Zufrieden und
absolut losgelöst putzte er sich jetzt. Schon lange hatte er keine Angst mehr
vor mir, aber berühren ließ er sich dennoch nicht.
„Na, hat´s geschmeckt, du undankbarer Vielfraß?“ er legte
den Kopf etwas schief und schaute mich mit scheinbar fragendem Blick und großen,
wuschigen Ohren durchdringend an. Das tat er immer wenn, ich mit ihm sprach.
Ich lachte leise, weil er köstlich dabei aussah. Dabei bewegte ich mich ein
wenig zu plötzlich und meinen Rücken
durchzuckte ein scharfer Schmerz, der mich die Luft anhalten ließ. Er hatte das
letzte Mal, so fest zu getreten wie nie zuvor und dabei war ich doch schon
längst am Boden gelegen. Ich hatte die
Suppe nicht mit Absicht versalzen! Bei der Erinnerung an die Todesangst, die
ich in jenem Moment empfunden hatte, kamen mir die Tränen, aber ich drängte sie
zurück, denn darin war ich geübt. Wie in jeder Nacht sah ich hinaus, in die
wilde, weite Prärie und fragte mich, ob ich es schaffen konnte einfach auszubrechen,
einfach davon zulaufen. Aber ich verwarf kopfschüttelnd schnell wieder den
Gedanken. Sie würden mich finden und sie würden mich töten. Ich glaube nicht
einmal Allah könnte mir helfen.
Ich fühlte das tiefe Grollen tief unten in der Erde. Es fuhr
mir durch Mark und Bein. Instinktiv wusste ich was es war! Bei Allah… bitte
nicht! Der Schakal duckte sich in dem Moment, als ich mich aufrappelte, um in
die Ferne zu blicken. Ich erkannte nichts, doch der Schakal lief kläffend
davon, dann wurde auch schon ohrenbetäubend, knallend die Erde auf den Kopf
gestellt und Sand und Staub flogen umher. Ich wurde regelrecht von den Beinen
geschleudert… Gesteinsbrocken rieselten herab und ich legte die Hände zum
Schutz über den Kopf. Die Erde roch muffig.
Es folgte kein weiterer Einschlag und dennoch blieb ich
gefühlte Stunden einfach nur liegen, doch schließlich hob ich den Kopf und
versuchte zu erkennen was geschehen war. Mein Sichtfeld war verschwommen, mir
war übel… dann hörte ich meine kleine Schwester schreien.
„Saya…“, hauchte ich ihren Namen. Mein Puls raste. Obwohl
mir übel von der Bewegung wurde, drehte ich mich um und zog mich mühsam auf die
Knie. Als ich hochblickte, war das Dach des Hauses verschwunden, da war nichts
mehr, außer einem rieseigen klaffenden Loch. Mit wild klopfendem Herzen kam ich
schwankend auf die Beine und stemmte mich an der rauen Wand entlang zum
Eingang. Als ich um die Ecke kam, gaben meine Knie fast unter mir nach. Eine
komplette Seite des Hauses war zertrümmert. Darunter auch der Stall, in dem
unsere Kuh untergebracht war.
„NAHLA!“ Mit einem Sinne betäubenden Pfeifen in den Ohren,
bahnte ich mir einen Weg ins Innere des Hauses. Dichter Staub stand in der
Luft, ich konnte zuerst nichts erkennen, aber langsam verzog er sich. Überall
dort, wo sich vorher der Wohnraum befunden hatte, lag Schutt. Ich stolperte über ein paar
Brocken, zum Glück war die Treppe nur leicht angeschlagen und da, von oben,
blickten mich verängstigte Kinderaugen an. Allah sei Dank, sie wurde bei dem
Einschlag verfehlt.
„Komm runter zu mir.“ ich wusste nicht ob ich schrie, oder
flüsterte, oder ob ich mir die Worte nur dachte, denn ich hörte immer noch
nichts außer dem Pfeifen, aber meine kleine Schwester kam nach unten gelaufen,
ihre langen schwarzen Haare wehten hinter ihr her. Ihr einfaches Kleidchen
flatterte im Wind. Sie knallte gegen mich und umklammerte mich fest. Ich
drückte sie an mich, spendete ihr Trost und Sicherheit und wusste mit einem Mal, wie sich meine Mutter damals
gefühlt haben musste.
Es gibt kein Entrinnen, wenn der Krieg dich erst mal
eingeholt hat, sind deine Tage gezählt und du kannst rein gar nichts tun um
deine Liebsten zu schützen.
„Wo ist er?“, fragte ich meine kleine Schwester und
streichelte ihren Kopf. Ich meinte meinen Mann.
„Er ist weggelaufen.“ ich wusste nicht ob ich erleichtert
oder erschüttert sein sollte, doch mein Ehemann hatte hatte allen Grund zu laufen,
wenn das hier die Ungläubigen waren, die angegriffen hatten.
„Geht’s dir gut?“ Ich hob ihr Gesicht an und inspizierte es
auf Wunden. Die unglaublich hellbraunen Augen, mit den goldenen Sprenkeln
darin, strahlten in kindlicher Unschuld und ungetrübter Angst zu mir hinauf. In
ihren tiefschwarzen unsagbar dichten Wimpern klebte Staub. Die Nase mit dem
kleinen Huckel, war dreckverschmiert, genauso wie die braungebrannten Wangen. Volle,
tiefrote Schmolllippen lächelten mich unsicher an. Man sagte immer sie sehe aus
wie ich, nur das Saya Topase anstatt Türkise, als Augen hatte. Ich wollte nicht
glauben, dass ich tatsächlich so eine seltene Schönheit wie sie sein sollte, aber
leider hatten wir keinen Spiegel, in dem nachsehen konnte. Beruhigend versuchte
ich sie anzulächeln, doch wahrscheinlicher war, dass es einer Grimasse glich.
„Ich denke wir…“ weiter kam ich nicht, denn die Tür die
sowieso nur noch an einer Angel hing, wurde aufgetreten. Ich zog meine
Schwester hinter mich und schwankte dabei selbst gefährlich. Etwas Feuchtes und
warmes, lief meine Stirn herab. Meine Sicht verschwamm, aber mein Gehör kam langsam
wieder. Stiefel trampelten, Männer schrien. Es waren Soldaten. Keine Afghanen,
keine Taliban. Mehr konnte ich nicht erkennen, denn ich kannte mich in den
Uniformen nicht aus. Sie stürmten lautstark das Haus, während hinter ihnen
Kugeln herabregneten. Ich drückte mich mit meiner kleinen Schwester in eine
Ecke des Wohnraumes und versuchte unsichtbar zu werden, doch anscheinend es
gelang es mir nicht. Denn im nächsten Moment wurden wir plötzlich herabgerissen.
Mir verschlug es den Atem, weil ich so hart auf dem Bauch landete, doch genau
dort, wo wir soeben noch gestanden hatten, schlug jetzt eine Salve von Kugeln
tiefe Löcher in die Steinmauer. Stöhnend fühlte ich den schweren Arm, der mich
zwischen den Schulterblättern
herabgedrückt hielt und drehte mein Gesicht. Ich sah einen Soldaten
neben mir auf dem Bauch liegen, eine
große Waffe in der Hand, die andere auf
meinem Rücken. Wenn DAS mein Mann jemals erfahren würde, wäre ich verloren!
„HUGH! BRING DIE KLEINE HINTEN RAUS!“, schrie er einem
anderen komische Worte zu, aber ich konnte ihn nicht verstehen, denn ich sprach
diese Sprache nicht, die sich anhörte wie eine Melodie.
Ein anderer, wahrer Riese, kam und packte sich meine
weinende Schwester. Sie wollten meine SCHWESTER MITNEHMEN!
„NEIN SAYAAA!“, schrie ich und versuchte sie zu fester fassen,
als er sie am Bauch ergriff und hochhob. Sie schrie wie am Spieß meinen Namen,
mir wurde wieder schlecht und meine Sicht verschwamm. Dennoch ließ ich ihre
Hand nicht los. Ich durfte sie nicht loslassen. Ich hatte schon einmal
losgelassen!
„Verdammt bring sie raus! JETZT!!“, schrie der andere
unverständlich neben mir, dann riss er mich mit einem Ruck wieder herab. Seine
Schüsse wurden direkt neben meinem Gesicht abgefeuert. Eine Hand landete
zeitgleich auf meinem Hinterkopf und drückte mich auf den Boden. Reflexartig
schlug ich die Hände über meine Ohren, weil es so laut war. Die Salve wurde von
den Gegnern mit weiteren Schüssen beantwortet, die durch das Fenster ihren Weg
in die Mauer über uns fanden. Es waren so viel mehr Schüsse, als der Soldat
neben mir abgefeuert hatte. Ich dachte es würde kein Ende mehr nehmen.
„SIE GREIFEN VON ZWEI SEITEN AN!“, schrie einer, der mit
einem anderen Soldaten direkt unter dem Fenster hockte und auf eine Pause
wartete, damit er auch schießen konnte.
„Das war eine Falle!“, knurrte der Soldat neben mir, seine
Hand lag wie selbstverständlich auf meinem Kopf. Ich atmete flach und schloss
die Augen um nicht ohnmächtig zu werden, Blitze zuckten vor meinen Augen und
ich stöhnte weil sich mein Magen nach oben erhob, aber ich schaffte es ihn in
Zaum zu halten. Ich würde nicht brechen, zumindest nicht JETZT, dachte ich.
„Sie ist verletzt. Verdammt… wieso sind sie nicht hier?“,
hörte ich den Mann neben mir sagen. Er klang besorgt und irgendwie bedauernd.
Wieso nur? Eine Feuerpause entstand. Die vier Soldaten an den Fenstern feuerten
ein paar Salven ab und duckten sich dann wieder zurück, als prompt die Antwort
kam.
„Scarface war nicht im Haus. Sie sind ALLE nicht hier.“, verkündete
einer verbittert, den ich verschwommen als blondhaarig wahrnahm.
„Ich bringe sie bei der nächsten Gelegenheit hinten raus.“,
schrie der neben mir, weil wieder Kugeln über uns einprasselten. Ich konnte
nicht verstehen wie sie sich trotz der Todesbedrohung unterhalten konnten.
„Ich halte dir den Rücken frei.“
Wieder entstand eine kurze Schusspause und ich schrie auf,
weil ich plötzlich an den Hüften nach oben gehoben wurde. Ein paar Schritte,
dann fühlte ich frische Luft um mich herum. Von dem schnellen Gang war mir ganz
schlecht geworden und ich war froh, als ich hinter dem Haus auf die Erde gelegt
wurde, genau dort wo ich vorhin den Schakal gefüttert hatte.
„Nahla…“ die Finger meiner kleinen Schwester strichen ein
paar Haare aus meinem Gesicht und mir fiel panisch auf, dass ich mein Kopftuch nicht trug. Schockiert
mit verschwommenem Blickfeld sah ich mich um und erkannte stöhnend, dass hinter
dem Haus mehrere Soldaten standen. Ungefähr fünfzehn Männer in voller
Kampfmontur, mit Rucksäcken, Helmen und dreckverschmierten Gesichtern und
Kleidung. Ich war wahrlich eine tote Frau. Mein Mann würde mich umbringen, sie
alle sahen mich an und ich merkte auch noch, dass mein Hijab an meinem Bein
nach oben gerutscht war und mein Oberschenkel zu sehen war. Schwer ächzend,
richtete ich mich auf und wollte ihn herabziehen aber ich wurde an der Brust
zurückgedrückt. Noch viel schlimmer… Diese Ungläubigen kannten wirklich keine
Scham und berührten mich so gedankenlos.
„Bitte!“, flehte ich und schaute jetzt das erste Mal mit
klarem Blick hoch in seine Augen, die nun zu sehen waren weil er so ein
komisches Ding abgenommen hatte… und abermals verschwamm alles um mich herum,
aber aus anderen Gründen als vorhin. Seine Augen waren dunkelblau und
erinnerten mich an den Fluss, in dem ich meine Füße manchmal abkühlte... Er
sprach klar und deutlich und das in meiner Sprache.
„Habt keine Angst. Wir sind hier, um euch zu beschützen. Leg
dich hin, du hast eine Kopfverletzung.“ Er
zog eine Augenbraue hoch und schaute streng auf mich herab. Aber mein Bein war
immer noch fremden Blicken ausgeliefert, es ziemte sich ja nicht einmal, dass
ich ihm in die Augen sah und erst Recht nicht das er mein Fleisch betrachten
konnte! Vor Scham stieg mir die Röte in die Wangen und er runzelte verwirrt die
Stirn. Ich senkte schnell den Blick.
„Warte.“, forderte ich leise murmelnd und stemmte mich gegen
seine Hand. Er runzelte die Stirn, ließ mich aber machen, als ich mich
aufsetzte und meinen Umhang runterstrich. Dann ließ ich mich zurück in den
staubigen Boden sinken. Von der Bewegung wurde mir wieder schlecht und ich
vergrub mein Gesicht an der Hüfte meiner Schwester, die neben mir kniete und
meine Haare streichelte.
„Bleib so liegen.“, forderte die tiefe Stimme leicht heiser.
Ich nickte stöhnend, denn eine weitere Welle der Übelkeit überflog meinen
Körper. „Halt sie wach.“, meinte er zu Saya, dann war er aufgestanden und hatte
sich zu ein paar anderen Soldaten gesellt.
Vor dem Haus tobte der Kampf und hinter dem Haus, auf den
drei Metern zwischen Mauer und Hauswand unterhielten sie sich scherzend.
Verständnislos drehte ich mein Gesicht und beobachtete sie heimlich. Der, der
meine Schwester raus getragen hatte, erinnerte mich an einen Bären, mit breiten
Schultern und einem stämmigen Kreuz. Die Haare konnte ich nicht sehen, weil er
einen Helm mit komischen Sachen, wie einer Lampe darauf trug. Ein lautes Lachen
ließ mich weiterblicken auf den Soldaten, der mich aus dem Haus gebracht hatte…
Er war nicht so groß wie der andere, hatte aber auch breite Schultern und
intelligente, wachsame Augen. Sein Kiefer war scharf geschnitten und von einem
dunklen Bartschatten überzogen. Er lachte erneut, als der Große etwas sagte.
Seine Zähne strahlten in der dunklen Nacht weiß. Mir stieg erneut die Röte ins
Gesicht. Er erinnerte mich so gar nicht an meinen Ehemann. Die Art wie er mich dort
drinnen beschützt hatte, kannte ich nicht. Ich war es nicht gewohnt, dass man an mich überhaupt ein Gedanken verschwendete.
Er hatte mich mit seinem eigenen Körper geschützt, als er mich rausgetragen
hatte… Dieser Mann wäre für mich gestorben.
Ich lächelte schwach… und in dem Moment glitt sein Blick zu
mir. Blitzende, blaue Augen bohrten sich geradewegs in mein Inneres.
Sein Gespräch stockte. Der Atem in meiner Kehle auch. Unsere
Augen verwoben sich, es traf mich so hart, als hätte mein Herz einen
elektrischen Schlag bekommen. Ein
unbekannter Schmerz, ließ es sich zusammenziehen und drückte auf meine Brust.
Ich nahm einen tiefen Atemzug, Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich wusste
in diesem Moment, alles würde sich ändern….
Schnell senkte ich wieder den Blick, aber dafür war es schon
zu spät. Ich hatte Allah verärgert.
CUT!
Boah Leute, ihr habt
ja wirklich keine Ahnung wie verdammt aufgeregt ich bin, weil ich das hier
verdammt nochmal richtig machen will!
ABER ich muss sagen
ich habe wirklich vorzügliche Unterstützung. Meine aller, aller, aller beste
Sofia P-Freundin, die selber Muslima ist und in ihrem Leben verdammt viel
erlebt hat, hat sich dieser Geschichte mit viel Verständnis und Aufopferung
angenommen und sie macht auch noch nebenbei aus meinen Runzelsätzen wahre
Wunder, weil sie eine verschissen geile Autorin ist! Schade das sie bei FF
nicht veröffentlicht L! Dann ist da natürlich
noch meine süße Hülya, ohne die, diese Geschichte nicht wäre was ist. Mein
unbekannter Kriegsberater, (hab ihn noch nicht gefragt ob ich ihn in meiner AN
erwähnen darf hihi) dem ich hier recht herzlich für seine Mühe danke UND meine
auch unbekannte Beta ;) LOL
Ich habe mir eure
Reviews sehr aufmerksam und gerührt durchgelesen und ich muss sagen, dies ist
eine Gesichte wo ich wirklich einen heftigen Druck empfinde, weil ich hoffe das
ihr sie genauso lieben werdet wie ich es tue und ich keinem nahe treten, oder
ihn verletzen will, aber ich auch gleichzeitig nichts beschönigen oder
vertuschen will. Tja, dies ist wirklich eine Gradwanderung, auf die ich mich
eingelassen habe.
Gerade deswegen danke
euch wirklich für eure Resonanz. Ihr habt keine Ahnung was es mir bedeutet!
Hier füge ich mal noch
unauffällig den Link zum Blog ein, wo ihr den Banner und ein paar Links zu den
Quellen sehen könnt. (Das ist mein absoluter Lieblingsbanner ;) wie passend
lol)
Okay, ich hör jetzt auf, sonst wird diese AN länger als das Kapitel!
Warte nägelkauend auf
eure Meinung, Kritik, Anregungen Wünsche ;)
Bethy
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