Kapitel 3
Nach fünf Stunden gab es eine Feuerpause. Ich wusste, dass
dies hier noch tagelang so weiter gehen konnte, denn die Taliban, waren bekannt
für ihren langen Atem. Sie hätten so vielen Menschen Leid erspart wenn sie eine
Niederlage anerkannt hätten, doch das entsprach nicht ihrer Mentalität.
Ich und meine Schwester hatten kein Auge zugemacht, wie denn
auch bei dem Krach? Zwischendurch ließen die Soldaten zwei Bomben auf die
Taliban regnen, doch entweder sie verfehlten ihr Ziel oder sie waren zu weit
zerstreut. Auf jeden Fall ging es fünf Minuten nach den Detonationen schon
wieder weiter. Wir saßen hier zwischen all den Soldaten, die es sich
mittlerweile gemütlich gemacht hatten und waren… Gefangene. Vorsichtig
betrachtete ich sie und war verwundert. Keine mit Aggressivität gefüllten Augen
warteten darauf, dass ich etwas falsch machte, wie die meines Ehemannes. Wir
wurden komplett ignoriert, als wären wir gar nicht da und so lehnte ich mich
fast schon entspannt gegen die Mauer und schaute mir mit Saya die Sternenbilder
an.
Schon bald würde es dämmern und langsam kehrte Ruhe ein. Wir
beteten in Richtung Mekka, ohne uns davor mit Wasser zu reinigen, stattdessen
nahmen wir Sand her. Danach war Saya mit ihrem Kopf in meinem Schoß eingeschlafen,
sobald der letzte Schuss gefallen war. Die Arme war todmüde und hatte es sich
verdient zu ruhen. Heute hatte sie wirklich Tapferkeit bewiesen. Aber so war Saya eben. Ein großes Herz das die
Welt umarmen konnte und viel Mut vereinten sich in ihrem zierlichen Körper.
Obwohl ich die Große von uns beiden war, immerhin trennten uns sechs Jahre, war
sie mir mehr Stütze als ich es einem Mädchen in ihrem Alter eigentlich zumuten
wollte. Aber sie war es, die zu mir ins Bett krabbelte und mich tröstete, wenn
ich vor Verzweiflung die Tränen nicht mehr zurück halten konnte. Sie war es,
die mir zuflüsterte, dass ich stark und schön war, und dass sie stolz auf mich
war. Sie war es, die anfing das Lied von Mama zu singen und ich war es, die mit
mitsang. Als Gegenleistung wollte sie
alles über Mama wissen. Leider konnte sie sich nicht mehr an sie erinnern, und so war ich an die Stelle unserer Mutter
getreten. Saya war alles für mich, sollte ich sie jemals verlieren, würde ich
mich selbst verlieren. Ihr konnte ich vertrauen und ich wusste, dass sie mich
aufrichtig und grenzenlos liebte. Das war alles was mir noch auf diesem Schlachtfeld
des Lebens geblieben war und doch war es mehr als ich mir erhoffen konnte. Sie
war der einzige Grund, der mich am Leben hielt und mich weiter kämpfen ließ.
In diesem Moment würde ich normalerweise den Ofen anheizen,
Wasser vom naheliegenden Fluss holen und die Tiere versorgen. Aber ich glaubte
nicht, dass mich die Soldaten einfach über den Hof spazieren lassen würden, um
nach der Kuh zu sehen, oder dem was noch von ihr übrig war.
„Lass uns deine Wunde versorgen.“ Ich hatte gar nicht
gemerkt, dass mein Retter neben mir in die Hocke gegangen war. Vor uns stand auch
der große blonde Mann mit den kalten Augen. Mich schüttelte es, als ich ihn
ansah und schnell senkte ich wieder den Blick.
„Nein, ist schon gut.“ Ich wollte an meine Stirn fassen und
zuckte zusammen, als plötzlich seine Hand nach vorne schoss. Reflexartig hob ich
den Arm und duckte mich in Erwartung des Schlags. Schließlich hatte ich ihm so
respektlos widersprochen.
Aber er schlug mich nicht, sondern zog meine Hand wieder
nach unten, so dass ich mich nicht an meiner Wunde berühren konnte. Vorsichtig
linste ich ihn über meinen Arm an. Seine dunklelblauen Augen funkelten mich
wütend an. Mir wurde ganz schlecht und ich fragte mich wohin ich mich jetzt
verkriechen konnte, um dem, was gleich kommen würde, zu entfliehen. Doch
komischerweise nahm er auch meinen noch erhobenen Arm, langsam und vorsichtig
und zog ihn herab, damit er mein ganzes Gesicht sehen konnte.
„Ich werde dich niemals schlagen.“, sagte er langsam und
betonte jedes Wort dabei. Seine Augen strahlten dabei vor Ehrlichkeit und mein
Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Ich wusste nicht, ob ich ihm glauben
sollte. Männer konnten so viel sagen und es ja doch nicht so meinen…
„Aber du bist wütend.“, flüsterte ich schon fast. Es war mir
unangenehm, dass er immer noch meine Hand fest hielt, aber ich hatte Angst mich
ihm zu entziehen. In einer frustrierten Geste strich er sich mit einer Hand
über die raspelkurzen Haare. Die meisten, auch er, hatten mittlerweile ihre
Helme und diese komischen Brillen abgesetzt und es sich hier hinten gemütlich
gemacht.
„Ich bin wütend, weil du Angst vor mir hast.“ Das war für
mich unverständlich. Ich konnte nicht glauben was ich gehört hatte.
„Oh… entschuldige.“ Etwas anderes fiel mir dazu nicht ein.
Er warf seinen Kopf zurück und lachte schallend. Ich grinste auch ein bisschen
verunsichert, erwartete aber immer noch insgeheim einen Schlag.
„Entschuldige dich nicht. Ich bin nicht auf dich wütend!“
Aber auf wen denn dann, wenn nicht auf mich? Doch ich traute mich nicht weiter
zu fragen, dass stand mir schließlich nicht zu. Ich runzelte die Stirn und
schaute auf seine Hand die meine hielt. Sie war groß und rau, aber sein Griff
war sanft. Meine Hand schien komplett in seiner
zu verschwinden. Von seinen Fingern ging ein warmes Kribbeln auf mich
über.
„Lässt du dich untersuchen, bitte?“, fragte er mit sanfter
Stimme. So hatte noch nie ein Mann mit
mir gesprochen und dann auch noch die Bitte. Vor Schock sah ich ihn wieder an
und schüttelte schnell den Kopf. Er war kein Arzt! Das schien ihn umso mehr zu
frustrieren und er wendete seinen Blick kiefermahlend ab.
„Wieso nicht?“
„Ich darf mich nicht von einem fremden Mann berühren
lassen“, murmelte ich.
„Dann eben ohne Berührung?“ er klang schon wieder so wütend
das ich aus Angst tat was er wollte.
„Nick!“, er winkte harsch einen von den Soldaten herbei, mit
denen er vorher so ausgelassen gelacht hatte. Dieser ging vor mir in die Knie
und am liebsten wollte ich mit der Mauer in meinem Rücken verschmelzen, denn es
war der furchteinflößende, Mann mit den stechend blauen Augen und einer dicken
Narbe über dem rechten Auge. Mit verschränkten Armen blieb der Soldat der
anscheinend ihr Anführer war, neben uns stehen. Ich sah mit roten Wangen auf
den Boden vor mir. Die Hand die er gehalten hatte, kribbelte immer noch und ich
rieb meine Finger.
Der Mann vor mir sagte irgendwas mit ruhiger, angenehmer
Stimme, aber ich verstand ihn nicht.
„Ist dir schwindlig?“, übersetzte mein Retter und ich fragte
mich wieso er meinen Dialekt so fließend sprach. Ich schüttelte den Kopf, ohne
die beiden anzusehen.
„Ist dir übel?“, wieder verneinte ich.
Der Mann mit der Narbe redete wieder und ich zuckte zusammen,
als er mich am Kinn greifen wollte, um meinen Kopf anzuheben. Bei Allah, ich
würde mich nie daran gewöhnen! Der Anführer zischte ihm etwas zu, woraufhin der
Blonde der eigentlich so kalt und sachlich wirkte ihm einen belustigten Blick
zuwarf und zwinkerte. Das machte ihn für mich sofort sympathischer. Während
der, dem der Blick gegolten hatte frustriert schnaufte und die Augen rollte.
Dabei bekam der Blonde einen leichten Schubs, so dass er fast das Gleichgewicht
verlor.
Ohne es zu bemerken, entkam mir ein Kichern, dann schlug ich
auch schon schockiert meine Hände vor den Mund und starrte den Anführer panisch
an. Er lächelte fast schon verträumt und sah mich an, doch als mein panischer
Blick ihn traf runzelte er die Stirn und wieder zeichnete sich Wut in diesen
ausdrucksstarken Augen ab.
„Du darfst lachen, weißt du?“, knurrte er mich plötzlich an.
„Du darfst sogar noch viel mehr! Du darfst sagen was du willst! Du darfst uns
sogar beschimpfen, wenn dir etwas nicht passt! Wir werden dir nichts tun! Wir
sind nicht wie die!“ Ich wich zurück, weil er mich mit einem Mal so anschrie
und war mir plötzlich sicher, dass er mir doch jeden Moment etwas antun würde. Aber
der andere Soldat stand auf und stellte sich zwischen uns. Er redete auf den
wütenden Mann ein, woraufhin dieser sich mit Schwung umdrehte und
davonmarschierte.
Danach hockte er sich wieder mit verschlossenem
Gesichtsausdruck auf seinen ausdrucksstarken Zügen vor mich. Er hatte den
anderen davon abgehalten noch wütender zu werden und somit verhindert, dass er
mir wehtun konnte. Aggressive Männer waren schließlich unberechenbar, dafür war
ich ihm dankbar. Das hatte noch nie jemand für mich getan. Vorsichtig und langsam berührte er andeutungsweise
mein Kinn, so dass ich den Kopf hob und ihn ansah. Unverhofft leuchtete er mir
mit einer kleinen Taschenlampe in jedes Auge. Immer wenn ich zusammenzuckte machte er leise
beruhigende Laute und schnalzte mit der Zunge wie die Reiter es mit ihren
Pferden machten. Ich fragte mich ob er mir vielleicht damit einen Befehl geben
wollte, oder ob man in ihrem Land so mit den Frauen sprach. Als nächstes
schaute er sich meine Wunde an und verzog dann sein Gesicht zu einer Grimasse.
Nachdenklich sah er neben sich auf den Boden zu einer kleinen Tasche, die ich
zuvor noch gar nicht bemerkt hatte, wühlte darin herum und zog ein weißes
Fläschchen zusammen mit einem viereckigen Stück Stoff heraus. Er tat so als
würde er es sich auf die Stirn kleben. Dabei sah er mich fragend an. Ich biss
mir auf die Unterlippe, verstand und nickte schließlich, in der Hoffnung, dass
er meine Haut vielleicht nicht berühren würde. Als er sich ans Werk machte bat ich
bei unserem allmächtigen Allah um Vergebung, aber ich wusste das hier musste
sein. Seine Hände waren sanft und rücksichtsvoll, ich merkte, dass er mir keine
weiteren Schmerzen zufügen wollte, als er etwas Kühles draufsprühte, es abwischte
und dann meine verletzte Haut mit dem viereckigen, weißen Stoffding zuklebte.
Ich war verwundert von dieser bedächtigen Behandlung. Noch niemals zuvor war
ich so behutsam von einem Mann angefasst worden, wie von diesem düsteren Soldat
vor mir. Als er fertig war, nickte er nur knapp. Noch ehe ich mich bedanken
konnte war er schon aufgestanden und mit schnellen Schritten davonmarschiert.
Ich blieb mit Saya die immer noch schlief, sitzen und befühlte vorsichtig das
Stück Stoff das die Wunde auf meiner Stirn schützte.
Dieser Mann war so nett zu mir gewesen, dabei hatte er
keinen Grund dazu gehabt. Sie waren alle ganz anders, als das was ich bisher
kennen gelernt hatte. Wieso taten sie das nur und verschwendeten ihre Medizin
und ihre Zeit für mich? Ich war verwirrt
und verunsichert, aber ein kleiner Keim Hoffnung ging in mir auf. Vielleicht,
waren nicht alle Männer so wie die, mit denen ich bisher zu tun hatte.
Als die Sonne aufgegangen war und sich die Luft um uns herum
weiter erhitzte, kamen immer noch keine Schüsse und die Soldaten entspannten sich
merklich. Als sie anfingen sich
auszuziehen wusste ich nicht was ich tun sollte. Ich fühlte mich so schrecklich
unwohl und starrte auf den sandigen Boden vor mir, bis Stiefelspitzen in mein
Blickfeld traten. Als ich hochsah schaute ich geradewegs in die amüsiert,
funkelnden Augen, des Anführers.
„Du würdest jetzt am liebsten sterben, oder?“
Wieso sollte ich denn bitte JETZT sterben wollen? Bei Allah,
was war das denn für eine Frage? Wollte er mich etwa doch TÖTEN? Als ich ihn
panisch ansah lachte er leise und hielt mir seine Hand hin.
„Der Kampf ist vorbei, du kannst jetzt ins Innere des Hauses,
oder in das was davon noch übrig geblieben ist, wenn du willst.“ Wenn ich will?
Er hatte mich gefragt was ICH wollte, nicht von mir verlangt das zu tun was ich
zu wollen hatte. Das war nett von ihm, und das obwohl er so wütend auf mich
gewesen war. Ich war froh, denn er schien es nicht mehr zu sein und so lächelte
ich ihn schüchtern an und verlagerte
vorsichtig das Gewicht unter meiner kleinen Schwester. Sie schlief weiter wie
ein Stein, auch als ich mich umständlich und in Zeitlupe unter ihr hervorschob.
Meine Beine waren eingeschlafen und fast klappte ich zusammen, als ich mich mit
Hilfe der Wand, nicht seiner Hand aufgerappelt hatte, doch ich schaffte es
stehen zu bleiben. Auf der Lippe kauend schaute ich auf meine kleine Schwester
herab. Ich wollte sie nicht hier zwischen all den fremden Männern liegen
lassen, aber aufwecken wollte ich sie auch nicht.
Der Anführer konnte anscheinend meinen Blick deuten, denn er
winkte den Riesen herbei und sagte etwas zu ihm. Dieser ging vorsichtig vor
Saya in die Hocke und hob sie auf seine muskeldurchzogenen Arme. Sie sah dort
aus wie ein zerbrechliches Stöcklein, aber sein Gesicht war so aufmerksam auf
sie gerichtet, dass ich wusste, er würde auf sie Acht geben. Ich hatte es schon
an der Art gesehen wie er sie hochhob und war wieder mal verwundert, wenn nicht
sogar erschüttert.
„Wo schlaft ihr normalerweise? Willst du es mir zeigen?“,
fragte mich ihr Anführer mit seiner weichen, ruhigen Stimme und ich nickte. Mit
schnellen Schritten führte ich sie ins Innere des Hauses, die einfache
Steintreppe ohne Geländer nach oben. Wir stiegen über feinen Staub und große
Gesteinsbrocken. Eine komplette Wand fehlte, auf einmal fühlte ich mich unbehaglich.
Er sagte sie würden dort vorerst eine Plane anbringen, um ein bisschen
Privatsphäre für uns zu schaffen. Ich zeigte ihnen wo Sayas Schlafplatz war und
der Riese legte sie vorsichtig ab. Sie regte sich nicht, sondern schlief tief
und fest weiter, während ich sie zudeckte. Ich lächelte bei dem Anblick ihres
entspannten Gesichtes, strich ihr über die Haare und ging dann zu meinem
kaputten Holzschrank. Ich fühlte mich nackt ohne mein Kopftuch und so griff ich
mir das erstbeste und wollte es mir umlegen, aber eine Hand hinderte mich
daran. Ich kannte diesen Griff schon und drehte mich fragend zu ihm um. Die
Sonne ging rot strahlend hinter ihm auf und sein Anblick verschlug mir für ein
paar Sekunden die Sprache.
Er schüttelte den Kopf. Seine Augen waren sanft und offen.
Meine wurden umso größer. Er nahm das Kopftuch aus meiner erstarrten Hand und
ich fühlte wie mein Herz anfing schneller zu schlagen. Langsam näherte er sich mit
angespanntem Blick dem Fenster und ich bekam keine Luft mehr. Er warf es einfach hinaus.
„NEIN!“, rief ich gedankenlos aus und sprang zum Fenstersims.
Ich konnte gerade noch sehen wie es in einer gleißenden Bewegung, dem Boden
entgegenwippte und dort schließlich wie ein roter Schandfleck liegen blieb.
Schockiert schlug ich meine Hände vor dem Mund. Das konnte er doch nicht tun!
Er konnte mir nicht verbieten es zu tragen! Ohne mein Kopftuch war ich nicht
vollwertig, ich fühlte mich nackt.
Allah, vergib mir. Ich
war hier mit einem fremden Mann in meinem Schlafgemach. Dafür würde ich in der
Hölle schmoren, und das auch noch mit unbedecktem Haar. Eine Träne rann meine
Wange herab, als ich es da unten liegen sah… es war als hätte er einen Teil von
mir aus dem Fenster geworfen.
Doch, er konnte es tun. Er war ein Mann und somit hatte er die
Entscheidungsgewalt.
„Bitte nicht…“, flüsterte ich, da nahm ich im Augenwinkel
eine Bewegung wahr und merkte, dass er mir ein neues hinhielt. Unsicher drehte
ich mich zu ihm um und nahm das Tuch entgegen.
„Deine Haare sind
viel zu schön um sie zu verhüllen, aber wenn DU es tragen willst, werde ich
dich nicht aufhalten.“, murmelte er und dann verbeugte er sich vor mir, dabei
fiel ich fast in Ohnmacht, vor Schock. „Du kannst jetzt machen was du willst.
Lass dich von uns nicht stören, beweg dich vollkommen frei.“ Mit einem kleinen
Zwinkern, drehte er sich um und ging die Treppe nach unten.
Ich blieb allein in den Strahlen der einfallenden Sonne
stehen, sah dem Staub bei seinem Tanz durch die fehlende Wand zu und war vollkommen
überwältigt und gleichzeitig überfordert.
Ich nahm meinen Kamm und ließ mich auf die Matratze
plumpsen. Das leichte Ziepen und die vertrauten Bewegungen beruhigten mich,
machten meinen Kopf frei. Was sollte ich jetzt tun? Sollte ich hier oben
bleiben und mich verstecken? Das ging auf Dauer nicht, die Tiere, wenn es denn
noch welche gab, würden etwas zu Essen brauchen und natürlich Saya und ich
auch. Aber wie sollte ich mich denn vor so vielen männlichen Augen frei bewegen
können? Das war einfach unmöglich, doch von ihm so selbstverständlich
ausgesprochen. Wusste dieser Ungläubige gar nichts? Machte er sich keine Sorgen
um seinen Seelenfrieden? So oft wie er mich berührt hatte, so selbstverständlich
wie er meinen Blick einforderte, war ich davon nicht überzeugt. Ich konnte
machen was ich wollte? Und was sollte das sein? Noch niemals zuvor war ich vor
dieser Frage gestanden. Immer hatte ich gewusst was ich tun MUSSTE. Nichts tat
ich weil ich es wirklich wollte. Natürlich, Kleinigkeiten durfte ich selbst
bestimmen, aber jetzt war mir ALLES offen. ALLES war doch viel zu viel. Also
bürstete ich in aller Ruhe erst meine Haare zu Ende, nicht wie sonst, wenn ich
es noch halb verfilzt unter meinem Kopftuch versteckten musste. Flocht mir
einen Zopf und wickelte in gewohnter Manier den Stoff über mein Haupt. Er
schmiegte sich vertraut an meine Kopfhaut und ich schloss erleichtert die
Augen. Denn das hatte etwas von Zuhause.
Mein Bauch knurrte und
ich entschied mich dazu meine neu gewonnene Freiheit auszutesten. Er hatte mir
gesagt er würde mich niemals schlagen, keiner von ihnen würde mir wehtun, ich
wusste nicht ob ich den Worten glauben konnte, aber ich würde es versuchen. Bis
jetzt, hatten sie uns noch nichts getan.
Also marschierte ich mit frisch gekämmten bedeckten Haaren
nach unten und nahm mir meinen Wassereimer. Es war nicht leicht mit gesenktem
Blick den Anführer zu suchen, also musste ich leider gucken… fast alle hatten
nun ihren Oberkörper wegen der Hitze entblößt und die schweren Uniformen
abgelegt, sie aßen und lagen verstreut in der morgendlichen Sonne, bauten Zelte
auf und tranken aus ihren Wasserflaschen. Ich glaube, ich hatte noch nie so
eine intensive Röte verspürt wie in diesem Moment. So viele nackte, männliche
Oberkörper auf einmal… Allah, bitte verzeih mir.
Doch irgendwann fand ich ihn. Vorne am absolut
durchlöcherten Haus, lehnte er locker mit dem Rücken an der Mauer und kaute auf
einem Grashalm herum. Er sprach mit ein paar anderen Männern, einem mit Glatze,
dem Riesen, dem Blonden mit den kühlen Augen und Soldaten die ich bis jetzt
noch nicht gesehen hatte. Auch er trug nur noch eine tief sitzende Hose… Ich
hatte noch niemals so einen männlichen und gleichzeitig gepflegten Körper
gesehen. Ich wollte nicht hinsehen… aber tat es doch… Er hatte einen wirklich
schönen Körper anders konnte ich es nicht beschreiben. Er war schier perfekt… Als
mir dieser Gedanke kam wollte ich am liebsten schreien und weglaufen. Allah,
vergib mir. Ich schämte mich und strafte mich in Gedanken selbst. Voller Reue
wegen meinem gottlosen Denken trat ich an die Gruppe heran, natürlich mit
gesenktem Blick und dem Eimer in der Hand. Ich wusste nicht wie ich auf mich
aufmerksam machen sollte, aber die Gespräche verstummten sowieso, sobald ich
mich an den Rand der kleinen Gruppe stellte.
Ich versuchte mich nur auf seine Augen zu konzentrieren, weil ich wusste, dass es ihn aufregen würde
wenn ich ihn nicht ansah, während ich so leise sprach, dass er es sicherlich
kaum hörte. „Du hast gesagt ich darf tun was ich will?“ es klang wie eine Frage
und er runzelte die Stirn. Wie selbstverständlich streckte er die Hand nach mir
aus und ich zuckte zusammen. Er presste die Lippen aufeinander, umfasste trotz
meiner Reaktion, leicht meinen Oberarm
und führte mich ein Stück von der Gruppe breit grinsender, tuschelnder
Männer weg.
„Und ich habe es auch so gemeint.“, meinte er im Schutz
eines Baumes. Die Sonne hatte bereits ihre volle Kraft entfaltet und schien
erbarmungslos auf uns herab. Ich starrte
auf meine Füße.
„Ich würde gerne Tee und etwas zu Essen machen. Dafür brauche ich Wasser.“
Ich hob meinen alten Eimer hoch.
„Gut. Wo holst du dein Wasser?“
„Im Fluss.“, murmelte ich verhalten.
„Wie weit ist der Fluss entfernt?“
„Er ist gleich da hinten.“ Immer noch ohne ihn anzusehen
zeigte ich ihm über meine Schulter die ungefähre Richtung.
„Ich werde dich begleiten. Ich halte es zwar für
Unwahrscheinlich aber es kann sein das sie sich dort versteckt halten.“ Er
meinte wohl die Taliban gegen die sie gekämpft hatten.
„Was ist mit meiner Schwester?“ ich wollte sie nicht
schutzlos zurücklassen. Er grinste mich an.
„Ist es Okay für dich wenn Hugh auf sie aufpasst?“ er
schaute zu dem Riesen, der uns breit grinsend zuwinkte.
„Ich weiß nicht…“, er schien nett zu sein, dennoch kannte
ich niemanden von ihnen und konnte sie nicht einschätzen.
„Du kannst ihm wirklich vertrauen. Er liebt Kinder über
alles, weil er selber eins ist.“ Ich musste ein kleines bisschen lächeln, als
er das sagte und nickte lippenkauend.
„Gut.“ Er drehte sich um und ging zu der Gruppe Männer. Bei
Allah… ich konnte nicht anders… ich starrte seinen nackten Rücken an. Er hatte
eine dicke Narbe in der Leistengegend. Das erinnerte mich an meinen eigenen
Rücken, ansonsten war seine Haut makellos, viel makelloser als meine, mit
strammen Muskeln darunter und leicht gebräunt. Was tat ich hier nur? Kopfschüttelnd
kniff ich die Augen zusammen, als er mit dem Mann ohne Haare sprach. Dann
schaute ich nur noch auf meine Füße und das auch, als er zurückkam und
verkündete, dass wir gehen konnten.
Und dann machte er etwas, was mir fast den Boden unter den
Füßen wegzog…
Wie selbstverständlich nahm er den Eimer aus meiner Hand und
marschierte pfeifend drauf los!
Ich sah ihn beim hinterhergehen schockiert von der Seite an
und stolperte über einen Stein. Seine Hand schoss nach vorne und fing mich am
Arm auf. Mit der anderen hielt er den Eimer. Er zog fragend eine Augenbraue
hoch. Ich sah ihn an und musste es wissen. Wie hieß dieser unglaublich
verstörende, temperamentvolle aber doch so freundliche, herzliche Ungläubige,
der mir sagte ich dürfte tun was ich wollte, und der meinen Eimer für mich
trug?
„Wie heißt du eigentlich?“
Ein breites Lächeln überzog sein Gesicht und ließ es erstrahlen,
wieso auch immer.
„Ich heiße Jack Cooper und bin erfreut deinen Eimer tragen
zu dürfen.“ Ich konnte mir mein Kichern einfach nicht verkneifen.
CUT!
Sooooooooooooooooooooooooooooo!
Das war´s mal wieder von mir! Oder sollte ich besser sagen von uns! Von meiner
Sofia P alias kisicat (Sie ist ja doch bei ff, postet hier aber nichts, die
böse Möse, dabei kann sie soooooooooooooooooooo wahnsinnig gut schreiben und
hat soo ein geiles Gefühl für die deutsche Sprache!), ich bin immer noch
geflasht von deiner Review die du geschrieben hast, inklusive dem Spruch am
Schluss ;) Und natürlich danke an meine Beta! UND Danke an meine Hülya, die mir
zur Seite steht und die ich für ihr Wesen bewundere. Schatz, du bist wirklich
eine wahnsinnig starke Frau, du kannst stolz auf dich sein! Und an meinen
Militärberater und DANKE an euch! Ich kann leider nicht alle Reviews
beantworten, aber ich werde es versuchen!!!!!
Ich hab euch alle
lieb, bin grad auf dem Hippitripp und könnte euch und auch ein paar Bäume
knuddeln, weil diese Geschichte trotz meiner Bedenken so gut ankommt!
LOL
Eure Bethy!
Ach ja: Ich weiß ich
bin nervig, aber der Wettbewerb geht nur noch ein paar Tage also ist Endspurt
angesagt und danach werde ich euch vorerst mit so was in Ruhe lassen! Hehe.
Hier nochmal der Link! Ihr seid echt die aller, aller, allerbesten Leser dieser
Welt!
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